Rechtsanwaltskanzlei Dr. Stenzel & Koll. | info@ra-stenzel.de | 28.01.2013
Aktuelle Urteile
BGH: Kein Wegerecht trotz jahrzentelanger Übung
Am 24.01.2020 (Az.: V ZR 155/18) entschied der Bundesgerichtshof, dass auch nach jahrzehntelanger Übung kein Wegerecht aufgrund Gewohnheitsrecht entsteht. Geklagt hatten die Eigentümer dreier nebeneinander liegender Grundstücke, die mit drei aneinander grenzenden Häusern bebaut sind. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich Garagen. Der Weg dorthin führt allerdings über das Grundstück eines anderen Nachbarn. Dieser kündigte den "Leihvertrag über das vor 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht" jedoch 2016 und begann mit dem Bau einer Toranlage. Hinter den Häusern stehen auch Mülltonnen, außerdem hat ein gewerblicher Mieter dort ein Lager sowie eine Werkstatt. Im Grundbuch war nie ein Wegerecht eingetragegn. Trotzdem gab es lange Zeit keine Probleme. Die klagenden Eigentümer die sich auf ein zu ihren Gunsten bestehendes Wegerecht beriefen, hilfsweise auf ein Notwegerecht, wollten erreichen, dass der beklagte Nachbar die Sperrung des Weges durch eine Toranlage zu unterlassen hat. Vergeblich.
Einem Schwerbehinderten, dem trotz Gesundung versehentlich ein unbefristeter Schwerbehindertenausweis ausgestellt worden ist, kann auch noch nach Jahren der Schwerbehindertenstatus aberkannt werden. In einem solchen Fall besteht kein Vertrauensschutz, die ursprünglich festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft für alle Zeiten behalten zu dürfen.
Bundessozialgericht, Urteil vom 11.08.2015, Az.: B 9 SB 2/15 R
OLG Hamm: definiert die Grenzen des "faktischen Überholverbots"
Wer unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überholt, muss sich im Fall eines Unfalls nur dann einen Verstoß gegen ein sog. faktisches Überholverbot vorhalten lassen, wennn sich der Unfall bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht ereignet hätte. Außerdem schütze ein "faktisches Überholverbot" nur die von einem gesetzlichen Überholverbot geschützten Verkehrsteilnehmer und nicht den von einer Parkplatzausfahrt in die Straße einbiegenden Verkehrsteilnehmer.
OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014, Az.: 9 U 149/13)
BGH: Mieter weiß gestrichener Wohnung haftet bei Rückgabe mit buntem Anstrich
Gibt der Mieter eine bei Übernahme weiß gestrichene Wohnung bunt gestrichen an den Vermieter zurück, haftet er auf Schadenersatz. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.11.2013 entschieden. Denn eine bunt gestrichene Wohnung werde von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert und mache eine Neuvermietung praktisch unmöglich.
BGH, Urteil vom 06.11.2013, Az.: VIII ZR 416/12)
BAG: Auskunftsanspruch einer abgelehnten Stellenbewerberin über Stellenbesetzung verneint
Ein abgelehnter Stellenbewerber hat gegen den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Auskunft, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in Fall einer abgelehnten Stellenbewerberin entschieden, die sich diskriminiert gesehen und deswegen eine Entschädigung nach dem AGG geltend gemacht hatte.
BAG, Urteil vom 25.04.2013, Az.: 8 AZR 287/08 (eingestellt am 04.05.2013)
EuGH: Geringere Entlassungsabfindung für kurz vor Renteneintritt stehende Arbeitnehmer zulässig
Der EuGH hat am 06.12.2012 entschieden, dass eine Regelung eines bestrieblichen Systems wirksam ist, wonach bei Mitarbeitern, die älter als 54 Jahre sind und denen betriebsbedingt gekündigt wird, die ihnen zustehende Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns berechnet wird und im Vergleich zur Standardberechnungsmethode, nach der sich die Abfindung insbesondere nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, eine geringere als die sich nach der Standardmethode ergebende Abfindungssumme, mindestens jedoch die Hälfte dieser Summe, zu zahlen ist. Dies soll jedoch nicht für eine vorzeitige Altersrente wegen einer Behinderung gelten.
EuGH, Urteil vom 06.12.2012 - Az. C-152/11 (eingestellt am 23.12.2012)
BAG: Verhaltensbedingte Kündigung einer Grund-schullehrerin
Eine Grundschullehrerin hat ihr Verhalten in der Schule so einzurichten, dass die Verwirklichung des ihr zukommenden gesetzlichen Erziehungsauftrags nicht gefährdet wird. Eine Grundschullehrerin verletzt erheblich ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn sie Schülern zu Disziplinierungszwecken die Münder mit Tesafilm verklebt. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG, Urt. v. 19. 4. 2012 – 2 AZR 156/11 (eingestellt am 08.12.2012)
BAG: Außerdienstliche Aktivitäten für die NPD als Kündigungsgrund
Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müssen ein bestimmtes Maß an Verfassungstreue aufbringen. Selbst wenn sie keiner „gesteigerten“, beamtenähnlichen Loyalitätspflicht unterliegen, dürfen sie nicht dazu aufrufen, den Staat oder die Verfassung und deren Organe zu beseitigen und diese nicht beschimpfen oder verächtlich machen. Andernfalls kann dies ein Grund für eine Kündigung durch den Arbeitgeber sein (Urteil vom 06.09.2012 - 2 AZR 372/11).
Quelle: Beck-online vom 20.09.2012
LG Coburg: Gemeinde muss ihre Straßen nicht pausenlos überwachen
Eine Gemeinde muss grundsätzlich dafür sorgen, dass ihre Straßen verkehrssicher sind. Sie ist aber nicht verpflichtet, jede auch noch so kleine Straße ständig zu überwachen. Dies stellt das Landgericht Coburg klar. Straßennutzer könnten nicht eine völlige Gefahrlosigkeit erwarten. Sie müssten vielmehr die Verkehrsfläche so hinnehmen, wie sie sich darbiete und ihr Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen (Urteil vom 27.07.2012, Az.: 21 O 7237/11, rechtskräftig).
Quelle: beck-online vom 30.07.2012
BSG: Hartz IV-Klage wegen 20 Cent unzulässig
Ein Sozialgerichtsprozess, in dem es um Hartz IV-Leistungen in Höhe von 20 Cent geht, ist unzulässig. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, so das Bundessozialgericht. 20 Cent seien auch für einen Hartz IV-Empfänger erkennbar kein Betrag, der ihm irgendeinen wirtschaftlich sinnvollen Nutzen bringt (Entscheidung vom 12.07.2012, Az.: B 14 AS 35/12 R).